Johann Wolfgang von Goethe

Vor dem Tor

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weißes, Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Ein Gleiches

Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch.

Johann Wolfgang von Goethe

Schweizerlied

Uf’m Bergli Bin i gsässe, Ha de Vögle Zugeschaut; Hänt gesunge, Hänt gesprunge, Hänt’s Nästli Gebaut. In ä Garte Bin i gstande, Ha de Imbli Zugeschaut; Hänt gebrummet, Hänt gesummet, Hänt Zelli Gebaut. Uf d’Wiese Bin i gange, Lugt’i Summer- Vögle a; Hänt gesoge, Hänt gepfloge, Gar z’schön hänt’s Getan. Und da kummt nu Der Hansel, Und da zeig i … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Gefunden

Ich ging im Walde So vor mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. Im Schatten sah ich Ein Blümlein stehn, Wie Sterne blinkend, Wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen, Da sagt‘ es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein? Mit allen Wurzeln Hob ich es aus, Und trugs zum Garten Am hübschen Haus. Ich pflanzt es … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Nähe des Geliebten

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer vom Meere strahlt; Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer In Quellen malt. Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege Der Staub sich hebt; In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege Der Wandrer bebt. Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen Die Welle steigt. Im stillen Haine geh‘ … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz; Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick. Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud‘ und Schmerz In der Einsamkeit. Fließe, fließe, lieber Fluß! Nimmer wird‘ ich froh! So verrauschte Scherz und Kuß, … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Iphigenie auf Tauris

Personen: Iphigenie Thoas, König der Taurier Orest Pylades Arkas Schauplatz: Hain vor Dianens Tempel. Erster Aufzug Erster Auftritt Iphigenie: Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Des alten, heil’gen, dichtbelaubten Haines, Wie in der Göttin stilles Heiligtum, Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. So manches … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Mailied

Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüten Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch. Und Freud und Wonne Aus jeder Brust. O Erd, o Sonne! O Glück, o Lust! O Lieb, o Liebe! So golden schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höhn! Du segnest herrlich Das frische Feld, Im … Weiterlesen …

Johann Wolfgang von Goethe

Buch der Liebe

Wunderlichstes Buch der Bücher Ist das Buch der Liebe; Aufmerksam hab ich’s gelesen: Wenig Blätter Freuden, Ganze Hefte Leiden; Einen Abschnitt macht die Trennung. Wiedersehn! ein klein Kapitel, Fragmentarisch. Bände Kummers Mit Erklärungen verlängert, Endlos, ohne Maß. O Nisami! – doch am Ende Hast den rechten Weg gefunden; Unauflösliches, wer löst es? Liebende, sich wieder findend.